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Hot Spot

Brigitte May / Synema Textausschnitt zu Hot Spot

(...) Der Film hält perfekt die Balance zwischen angemessener Distanz und einer sympathischen Distanzlosigkeit. Wir, die Zuschauer, sind immer dabei, aber nicht in einem verwirrenden Mittendrin, sondern wie zufällig Anwesende, als könnten wir mit am Tisch sitzen und an der Kommunikation teilhaben. Die Kamera (Astrid Heubrandtner und Helmut Wimmer) stört nie, klebt in der rationellen Enge der Küche nicht an den Arbeitenden, sondern ist einfach da, hält sich im Hintergrund, schaut ihnen jedoch interessiert zu. Es gibt kaum frontale Aufnahmen oder ein „Draufhalten“, sondern dieses angenehme En-passant-Filmen, etwa wenn sich Peter und Andreas bei ihrer Küchen-Arbeit drüber unterhalten, für welches Jobangebot sie sich vielleicht nach dem Michl’s entscheiden werden. Und der Film lässt sich Zeit. Manche Arbeiten, wie Kirschenentkernen oder Gläserwaschen, gehen einfach verhältnismäßig langsam von der Hand, aber da wird nicht weggeschwenkt oder geschnitten – es dauert eben, solange es dauert. (...)

Kleine Zeitung vom 24.03.2011
Diagonale: Restaurantküche als Arbeitslosenprojekt in "Hot Spot"
Sabine Derflinger kontrastiert Bilder von Essenszubereitung mit menschlichen Schicksalen
von Karin Zehetleiter 

Langzeitarbeitslose beim Versuch einer Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess zeigt Sabine Derflinger in ihrem neuen Dokumentarfilm "Hot Spot", der am Mittwoch bei der Diagonale uraufgeführt wurde. Ort des Geschehens ist eine Restaurantküche, in der die Schicksale verschiedener Menschen im Vordergrund stehen, kontrastiert und begleitet vom Zubereiten der Speisen. Die Regisseurin arbeitet mit vielen Großaufnahmen, die zwar detailliert, aber niemals bloßstellend sind.

Wiener Restaurant

Gezeigt wird ein Wiener Restaurant, in dem Langzeitarbeitslose über eine sechsmonatige Beschäftigung den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt schaffen sollen. Dabei wird in Großaufnahmen gezeigt, wie das Essen zubereitet wird, nebenbei werden aber die Schicksale der einzelnen Figuren genauso unter die Lupe genommen wie die Zutaten zu den Menüs. Die Beschäftigungslosen sollen sich hier an einen geregelten Tagesablauf gewöhnen, sie sollen wieder Verantwortung tragen lernen.

Derflinger zeigt dabei die unterschiedlichsten Schicksale, die ineinandergreifen und in Gesprächen in der Küche und mit den Betreuerinnen deutlich werden. Die Schwierigkeiten sind breitgefächert: Suchtkranke, allein erziehende Frauen, Ausländerinnen, die die Sprache noch nicht gut beherrschen. Einige sind sehr schüchtern, andere haben Probleme mit der sozialen Eingliederung. Scheinen zunächst alle sehr bemüht, so lässt der gute Wille oder auch das Durchhaltevermögen oftmals bald wieder nach. Die Regisseurin zeigt auch das Scheitern einiger, ebenso wie die Bemühungen der Betreuer, deren Arbeit in manchen Fällen immer wieder bei Null anfängt.

Erzählt wird alles in sehr ruhigen, unspektakulären Einstellungen, Großaufnahmen ziehen den Betrachter nicht nur in das Küchengeschehen, sondern auch in die Gesichter. Ohne Musik stellt Derflinger die Szenen nebeneinander, was bleibt, sind Momentaufnahmen aus den einzelnen Leben. Geschichten werden angerissen, aber nicht weiter erzählt - so wie Personal in einer Küche eben kommt und geht.

Der Standard vom 26/27.03.2011
Keine Form ist würdelos

Beim Grazer Filmfest Diagonale eröffnen Dokumentarfilmer Einblicke in die Welt von Migranten und Marginalisierten
von Dominik Kamalzadeh

(...) Auf der Diagonale sind dieses Jahr die Dokumentarfilmpremieren gegenüber jenen von Spielfilmen noch deutlicher als bisher in der Überzahl. Auf den bemerkenswerten Eröffnungsfilm Abendland folgten nun kleiner dimensionierte Unternehmungen, aus denen sich nichtsdestotrotz ein universeller Anspruch ableiten lässt. Sabine Derflinger begleitet in Hot Spot einige Langzeitarbeitslose, die im Rahmen eines sozialökonomischen Projekts den Wiedereinstieg ins Berufsleben versuchen. Zentraler Ort des Geschehens ist die Küche des Wiener Restaurants Michl's am Rathausplatz, von dort zieht der Film größere Kreise, zu denen auch Gespräche mit Sozialarbeitern gehören.

Dem Film ermöglicht dies Einblicke in die unterschiedlichen Lebensumstände der Protagonisten. Derflinger begleitet sie durch die Institution hindurch zurück in die Realität ungeschützter Arbeitswelten. Was man dabei in den Gesichtern zu sehen bekommt, ist auch ein Kampf um Würde - das Ringen, von den eigenen Ansprüchen nicht zu weit abzurücken. (...) (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD/Printausgabe, 26./27. März 2011)